„Denn unsere öffentlich gegenwirkende Energie wird unabweislich herausgefordert durch das, was um uns herum geschieht. Das ‚tintenklecksende Säkulum‘ ist vorüber, ein bildschirmgaffendes zieht herauf. Die Lesekraft schwindet, das Schreibvermögen geht zurück, die Redefähigkeit verkümmert […] Wir erleben, was ich hier andeute, bei unseren Kindern, beklagen es bei unseren Studenten, belegen es durch empirische Feldforschung und tun wenig dagegen – wir, die wir doch wohl eine Vorstellung davon haben, welche dem Menschheitsgedächtnis der Wörter und Sätze, Schriftwerke und Dichtungen eingespeicherten Reichtümer, welche Fülle an historischer Erfahrung und Einsicht in die Möglichkeiten des Menschen, die den Horizont seines kleinen Lebens in die Tiefe der Zeiten erweitert, wieviel an sinnlicher Wahrnehmung, denkerischer Energie, Formkraft und Imaginationsvermögen, an Orientierungsmustern und Handlungsanleitungen, Trostgeschenken, Fluchthilfen, Lebens- und Sterbensmitteln, an unabgegoltenem Unrecht, ungestillter Trauer, uneingelöster Hoffnung und ungeahnter Schönheit – wieviel Menschen also aufgeben müßten, die es nicht mehr lernten, mit den Wörtern und Sätzen, Schriftwerken und Dichtungen so umzugehen, sie so zu verstehen, so aufzunehmen, daß, was darin beschlossen ist, eingehen kann in ihr Leben.“ – Albrecht Schöne, Das Menschheitsgedächtnis der Wörter.
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