Das Leben des Massenbürgers bewegt sich hin und her zwischen drei Polen gewollter Mittelmäßigkeit:
1. Seinem 0815-Job, der peinlich genaue Regelungen kennt für Versicherungsschäden, Mittagspausen, Büroartikel und Urlaubstage, die in billigen Küstenhöllen versoffen werden: entweder in Kroatien, auf Malle, Rimini oder einem anderen sich zur Betonbunkerästhetik bekennenden Mittel- oder Schwarzmeerpuff, das sich dann auf würgreizprovozierenden Plakaten gegen alle Regeln der Scham für seine „unvergleichlich“ weißen Strände, oder seine „wunderbaren“, „romantischen“ Sonnenuntergänge rühmt.
2. Seinen sozialen Kontakten, die zu 90 Prozent aus Leuten bestehen, mit denen man mal ein Bier getrunken hat (Heineken) und sich dabei in rührselig-pseudokollegialer Weise entweder über den immer geilen Fußball von Bayern-München oder das eigene mit viel heldenepischem Pathos geschilderte Rumhamstern im örtlichen Fitnessstudio unterhalten hat – aber nur in ein paar mehr gegrunzt als artikuliert geäußerten Halbsätzen, die man mit übertriebener Hackbrettgestik vorträgt, so als würde ihnen das ernsthaft auch nur einen Hauch vom großen Äther ihres Schwachsinn nehmen. Das ganze wird dann vom Gegenüber – das eigentlich gar kein Gegenüber mehr ist (dank dem gedankennihilistischen Blick, der starr auf all die Flaschen hinter dem Bartresen gerichtet ist) begleitet von einer halb aufgesetzten Kennermiene, so als wäre Bieralkoholismus der Gipfelpunkt aller abendländischen Kulinarik – der ganze hingenuschelte Sermon wird dann also vom Gegenüber, das sein Smartphone griffbereit neben sich hat, falls es zum unvermeidbaren Gedankenvakuum kommt, mit beständigem verschwörerischen Kopfnicken quittiert, so als könnte man bei all der geäußerten Allgemeinheit auch anderer Meinung sein – und das nennt sich dann Gespräch (Zwei davon und ich nenn’ die Trantüte im zu klein gewaschenen Diesel-T-Shirt mit Großaufdruck „Kumpel“. Drei davon und ich umarm‘ ihn bei der Begrüßung.)
3. Den Parties, die immer auf die gleiche Weise, vorzugsweise mit der immer gleichen Crew – kleine Variationen von zugelaufenen „Kumpels“ inbegriffen – besucht werden. Man besäuft sich erst mal nach Strich und Faden im angestammten 40-Quadratmeter -Eigenheim, das bemerkenswerterweise, trotz seiner zugemüllten Inneneinrichtung, noch nicht die Ordnungshüter oder den Seuchenschutz auf den Plan gerufen hat, man besäuft sich also in einer dieser Weberfertigwallnbachhütten mit einer Literflasche Smirnoff für 6 Euro aus der Tanke am Ende der Straße, die schon zweimal von kleinkriminellen Hip-Hop-Azubis um ein paar Zwannis ärmer gemacht wurde, hört den neuesten shit von Martin Garrix, dann setzt man sich in den weißlackierten Skoda vom Deppen, der zum Fahrer des Abends zwangskastriert wurde, gröhlt im Wagen – natürlich bei heruntergelassenen Fensterscheiben, draußen 5 Grad über Null – alte Kultgehörgangskoliken von Jürgen Drews. Schon so stockbesoffen, dass man sich, ungeachtet des eigenen grenzdebilen Gesichtsausdrucks, den man vorher noch kurz im Seitenspiegel anerkennend erhaschen konnte, selbst schon für den leibhaftigen König von Mallorca hält, torkelt man zum altbekannten Club (der einzige in den man noch reingelassen wird). Vor der Tür eine Schlange von aufgemöbelten, hochgepuschten und durchgepinselten Landpomeranzen, die heute ernsthaft meinen, Brad Pitt würde nachher kurz mal reinschneien und genau sie nach L. A. mitnehmen, Filmrolle oder Modelkarriere inklusive…
Gut Nacht.
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