Umringt von tobenden, wogenden Menschen, stehst du, ein Einzelner, am letzten Tag des Jahres, kurz nach zwölf, auf einem weiten Platz in unbekannter Stadt, die heimisch wirkt, weil sie durchs Freudenfeuer geht an diesem Abend, an dem du losgelöst von allem Werden mit Freunden lachst und trinkst und jubelst auch, weil ihr ins neue Jahr euch feiern werdet, wie jedes Jahr, an dem Dinge gelernt, Frauen gewonnen, Weine geleert, Witze gemacht und fremde Städte besucht wurden. Du freust dich, weil du Wörter geschrieben hast, die dir richtig vorkamen, weil du Momente erlebt hast, die dir reich und selten schienen, wie schwarze Perlen, die man, zu kostbar um sie zu verlieren, in einen weiten Safe einschließt, von dem man irgendwann, zwischen zwei Jahren, den Code vergisst, sodass der kleine Augenblick in Finsternis sein Dasein fristet, von keinem Licht bewegt und keiner Träne laut gemacht, bis dass ein Enkel dir in jüngster Zeit den Schlüssel weist.
Ja, du wirst älter, erkennst bald die Versäumnisse deiner Tage, lächelst eifrig, wenn man Gottes Lob anstimmt, an Weihnachten und bei den Taufen deiner Kinder; setzt dich zum Frühstück an den harten Tisch, der deiner Frau so lieb war, als sie ihn gekauft und jetzt nur noch die Unterlage deines ruhigen Alltags bildet, durch nichts erschüttert als den Tassen und dem Klang der Teller. Du siehst die Frau, die du doch einst geliebt und in den Träumen über Klippen trugst: Ein fremdes Wesen, das du nicht mehr kennst, von dem du nicht mehr weißt, ob du es kanntest. Du steigst ins Auto, fährst zu deiner Arbeit, die du nicht hasst, noch achtest, sie ist so anders ja als du es ahntest, an diesem menschenumringten trunkenen Dezemberabend, als du noch frei und laut die Sterne zähltest, so ganz im Ernst, wie einer, der Kinder zählt, die ihm gehören.
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