Ich sitze an meinem Schreibtisch und errichte Wortgebäude. Gebäude, die auf materieller Ebene keinen Halt finden, geschweige denn in irgendeiner „Form“ zu begehen sind. Dennoch sind es Gebäude, weitläufig und bewohnt. Die Bewohner dieser geistigen Machwerke, zahlreich und eitel, füllen die Zimmer – manche eng und klein, andere wiederum groß und geräumig – mit ihrer ungreifbaren ideellen Präsenz. Sie nennen sich Gedanken und bewohnen diese aus Buchstabenziegeln gefertigten, verschachtelt zeitlosen Behausungen erst seit Kurzem. Da viele jener ewig alternden, niemals zur Ruhe kommenden Individuen aus verschiedenen Familien stammen und diverse Anschauungen vertreten, trotzdem aber (oder gerade deswegen) oft gezwungen sind, auf engstem Raum miteinander auszukommen, kommt es unter ihnen häufiger zu Zwistigkeiten und Auseinandersetzungen, die bisweilen in wahren Wortschlachten ihren epischen Höhepunkt erreichen. Die Opfer dieser beispiellosen Szenen sprachlicher Gewalt, die langsam verendend auf der Straße der Schlussfolgerung aufhören zu existieren, sind meistens die Edleren unter dem Gedankenvolk: die Ideale. Sie haben sich vor allen Anderen bis zuletzt eine erhabene Würde, eine Aura von Tugend und Wahrhaftigkeit bewahrt. Darum beneiden sie auch viele der einfältigeren, niederen Gedanken, verhöhnen sie und trachten ihnen nach dem Leben.
Ich sitze an einem Schreibtisch und errichte Wortgebäude, die den Verfolgten unter meiner geistigen Untertanen Asyl gewähren.
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